67. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, 1. – 10. Mai 2021
Die Preisträger der Deutschen Wettbewerbe und des NRW-Wettbewerbs
Preisverleihung: Montag, 10. Mai 2021, 19.30 Uhr, https://spatial.chat/s/kurzfilmtageoberhausen
Preise des Deutschen Wettbewerbs
Mitglieder der Jury:
Sarah Adam (Hamburg), Franz Müller (Berlin), Marcel Schwierin (Oldenburg)
Preis des Deutschen Wettbewerbs
dotiert mit 4.000 Euro
Proll!
Adrian Figueroa
Deutschland 2021, 30’, Farbe
Begründung:
Ein Film über die da unten. Die Schlechtbezahlten, die Gestressten, die Übersehenen. Die herausragende Kamera folgt ihnen dicht, oft intim, wir spüren den Druck, sehen den Schweiß und die Angst. Und dennoch bleiben die Figuren auf Distanz zu den Betrachtenden, der Film stellt keine sentimentale Gemeinsamkeit her, wo es keine Gemeinsamkeit gibt. Ein Film über die Einsamkeit unserer Zeit.
3satNachwuchspreis
dotiert mit 2.500 Euro
Der Preis umfasst darüber hinaus das Angebot, den ausgezeichneten Beitrag zu erwerben und im 3sat-Programm zu präsentieren.
Genosse Tito, ich erbe
Olga Kosanović
Österreich, Deutschland 2021, 27’, Farbe
Begründung:
Sommer auf dem Land, ein Wechselspiel von alltäglicher Arbeit an Haus und Garten und beiläufigen Überlegungen über die passende Inszenierung der Idylle. Vor und hinter der Kamera sucht die Filmemacherin nach Antworten, wie wir mit unserem politischen und materiellen Erbe umgehen sollen. Doch weder die Gespräche mit der Familie noch im Internet wiedergefundene Erinnerungen, abendliche Erzählungen oder die unbeantworteten Briefe an den Über-Vater helfen dabei. Eine Ortsbegehung mit Gegenwartsanalyse.
Lobende Erwähnung
Shine and Frustration
Shira Orion
Deutschland 2020, 4’ 10’’, Farbe/schwarzweiß
Begründung:
Überforderung, Loslassen, alles gleichzeitig erleben und immer wieder alles neu lernen müssen, ein unbarmherziges Nebeneinander, kein Muster erkennbar – das Leben in seinen offenen Enden als filmisches Prinzip.
ZONTA-Preis
dotiert mit 1.000 Euro
für eine Filmemacherin aus dem Internationalen oder Deutschen Wettbewerb
OCTAVIA’S VISIONS
Zara Zandieh
Deutschland 2020, 17’36’’, Farbe
Begründung:
Am Anfang war das Werk einer großen, futuristischen Autorin, das in dieser Arbeit in eine vielschichtige, poetische und zukunftsweisende Filmerfahrung überführt wird, die lange nachhallt.
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Preise des Deutschen Online-Wettbewerbs
Mitglieder der Jury:
Teboho Edkins (Berlin), Marit Hofmann (Hamburg), Gary Vanisian (Frankfurt/Main)
Preis des Deutschen Online-Wettbewerbs
dotiert mit 2.500 Euro
(Steve) Temple
Tanita Olbrich
Deutschland/USA 2020, 6’3’’, Farbe
Begründung:
Komm mit auf eine Tour durch eine rätselhafte Welt, angesiedelt zwischen den Achtzigern und einer utopischen Idee, zwischen Industrieschornsteinen und Jurassic Parks. Spielerisch, aufrichtig und sinnlich lädt dich die Regisseurin in ihren bewundernswert persönlichen Kosmos voller Musik und Freiheit ein.
Lobende Erwähnung
Levantado do Chão
(Raised from the Ground)
Melissa Dullius, Gustavo Jahn
Brasilien/Deutschland 2020, 11’11’’, schwarzweiß
Begründung:
In einer Situation, in der wir alle gezwungenermaßen zu Flaneuren werden, tröstet die Schönheit dieses analog fotografierten traumwandlerischen Spaziergangs, jenseits von Zeit und Zwängen.
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Preise des 13. NRW-Wettbewerbs
Mitglieder der Jury:
Birgit Hauska (Köln), Hilde Hoffmann (Düsseldorf), Ulli Klinkertz (Bonn)
Preis des NRW-Wettbewerbs
dotiert mit 1.000 Euro, gestiftet vom SAE Institute Köln und Bochum
LYDIA
Christian Becker
Deutschland 2021, 21’ 10’’, Farbe/schwarzweiß
Begründung:
Erliegen wir dem Charme des Materials oder ist es die facettenreiche Geschichte einer Klasse, eines Lebens oder einer Beziehung – die uns in Teilen auch noch bekannt vorkommt? Eine Geschichte, in der wir uns selbst finden? Dazwischen der Mut zum Schwarzbild. Wir erleben ein feines filmisches Gespür für das Wort- und das Bilderzählen. Wir erfahren etwas über den Wert von erfüllender Arbeit im menschlichen Leben – auch das kommt uns bekannt vor. Immer wieder bricht das Außen in das Private: Dokumentarische Fernsehbilder vom Jugoslawien Krieg und von den brennenden Häusern – fast hätten wir vergessen, wie lange es die rechte Gewalt in unserer deutschen Republik schon wieder gibt. Am Anfang hören wir den Puls des Lebens, darauf schnell und hart geschnitten Porträtbilder von einem Mann und einer Frau in der Ästhetik der 70er Jahre. Das Paar wird älter und wir nehmen Anteil an ihrem linksliberalen bürgerlichen Leben, aber auch an den Prozessen der Veränderung. Dazwischen Rotlicht Bestrahlungen und Introspektionen, Selbstbefragungen auf Grund einer schweren Krankheit. Ein narrativer Film über das Leben wird hier ausgezeichnet, ein berührend entblößendes Porträt, gezeichnet so intim, so spannend, als existentielle Geschichte, wie sie zu jeder Zeit passiert, die am Ende für uns, die Zuschauer, viele Fragen offenlässt und damit in unseren Köpfen weiter geht.
Förderpreis des NRW-Wettbewerbs
dotiert mit 500 Euro, gestiftet vom SAE Institute Köln und Bochum
Trübes Wasser
Elena Wiener
Deutschland 2020, 9’54’’, Farbe/schwarzweiß
Begründung:
Die Protagonistin im preisgekrönten Film leidet – ihr Leiden ist individuell und persönlich. Es wäre aber für andere sichtbar, dieses Leiden, und darum meidet sie die öffentliche Gemeinschaft. Es zwingt sie in Quarantäne (Quarantäne; die Erwähnung dieses Wortes zeigt schon, dass der Film durchaus aktuelle Zustände beschreibt und ganz gegenwärtige Assoziationen hervorruft). In dieser Quarantäne, dieser Isolation verbreitert sich das Leiden von außen nach innen – und wird furchtbare Angst – und die kann einen bekanntlich ja nicht nur sprichwörtlich auffressen. Wir als Zuschauende können den Schmerz buchstäblich spüren. Der preisgekrönte Film ist – ein Animationsfilm. Ein Animationsfilm, in dem der einfache Strich in eine sinnhafte Farbdramaturgie verpackt wird. Ein Animationsfilm in den sich motivische Realfilm-Schnipseln einmischen. Ein Animationsfilm, der in Kombination mit einem atmosphärischen Ton-Musik-Konzept psychologischen Thrill und Emotionalität kreiert. Ein Animationsfilm, der narrativ-dramaturgisch wie formal ästhetisch überzeugt.
Lobende Erwähnung
Hoch Sitzen
Oliver Gather
Deutschland 2021, 24’37’’, Farbe/schwarzweiß
Begründung:
Lobend erwähnen wollen wir einen Film, der auf der Schnittstelle von Forschung und Dokumentation operiert. Direkt zu Beginn schon wird Ausgangspunkt und Blickwinkel der Beobachtung offengelegt. Streng geordnet erleben wir dann nach und nach einen ganzen kulturellen Kosmos: Traditionen, Geschlechterrollen, Lieder. Wir erfahren von einer eigenen Sprache: die versachlicht, legitimiert und überhöht. Und wir begreifen die zugehörige Blickperspektive. In dem Film geht es um nichts weniger als um den Akt des Tötens. Um die Entscheidung über Leben und Tod, bei der Jagd – ganz ohne Not. Ausgangs- und Endpunkt der erhellenden dichten Beschreibung ist eine Skulptur: zwei Hochsitze, die sich gegenüberstehen.
Preis der WDR Westart-Zuschauerjury
dotiert mit 750 Euro, gestiftet von der WDR Westart
Mitglieder der Jury:
Benjamin Biersky, Axel Bund, Vanessa Demba, Sabine Gumbert, Wolfdieter Kemper, Kai Maiweg, Susanne Neumann, Anke Theyhsen-Kunert, Wilhelm Wolf
Bis zum letzten Tropfen
Simon Schnellmann
Deutschland 2020, 5’46’’, schwarzweiß
Begründung:
Ein schwarzhumoriger Blick auf den bitteren Kampf gegen eine tödliche Krankheit. Es geht um Leben und Tod, um Zerrissenheit. Es geht um Schwäche, Kraft, Mut und das Einstecken von Rückschlägen. Und: es geht um Hoffnung. Schwarzweiße Linien, ohne Worte. Ein drängendes Thema, leicht verpackt. Wie der Filmemacher Existenzielles wie Krebskrankheit, Chemotherapie und Überlebenskampf mit Witz und Intensität erzählt, finden wir absolut preiswürdig.
Die Liste aller Preisträger der 67. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen können Sie hier als PDF herunterladen.
Oberhausen, 10. Mai 2021
Pressekontakt: Sabine Niewalda, niewalda(at)kurzfilmtage.de, Tel. +49 (0)208 825-3073