Die Preisträger des 15. NRW-Wettbewerbs

69. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, 26. April – 1. Mai 2023

 

Die Preisträger des 15. NRW-Wettbewerbs

Preisverleihung: Montag, 1. Mai 2023, 19:30 Uhr, Lichtburg Filmpalast, Elsässer Str. 26, 46045 Oberhausen

Druckfähige Stills aus preisgekrönten Filmen stehen ab Dienstag, 2. Mai hier in der Sektion Downloads bereit: https://www.kurzfilmtage.de/de/presse/

 

Mitglieder der Jury:

Birgit Hauska (Köln), Hilde Hoffmann (Düsseldorf), Dirk Steinkühler (Bielefeld)

 

Preis des NRW-Wettbewerbs

dotiert mit 1.000 Euro

 

Ich darf sie immer alles fragen

Silke Schönfeld

Niederlande/Deutschland 2023, 15', Farbe

 

Begründung:

Wir blicken in eine Baumkrone. Wir hören Vogelstimmen, Karabinerklicken, Seilwindengeräusche und das Rascheln der Blätter im Wind. Baumschnitt liegt am Boden und Arbeiter sind mit Steigeisen zugange. Mit dem ersten Texttableau entfaltet sich das Ungeheuerliche, Unaussprechliche.

„Der Garten ist vom Koloss befreit“ werden wir später von der Mutter hören. Es braucht Platz und Luft zum Atmen. Und die süßen roten Früchte schmecken schon lange bitter. Dass die Kirschblüte für Reinheit, Unschuld, Freude und Glück steht, mutet perfide an, wenn wir erfahren, dass der Vater den Baum vor 50 Jahren gepflanzt hat. Denn die feinsinnige und kluge filmische Aufarbeitung der Tochter macht die Wunde sichtbar. Vertrauen und Sicherheit sind notwendig, um sich das Leben und die Heilung zurückzuholen. Wir werden mitgenommen und verstehen, warum der Kirschbaum zum Startpunkt des intimen filmischen Dialogs über transgenerationelles Trauma zwischen Mutter und Tochter gesetzt ist. Mit der Filmemacherin suchen wir auf den Fotos nach Hinweisen. Genau wie die Filmemacherin wissen wir, dass sie das, wonach sie sucht, nicht in den Gesichtern lesen kann.

Es ist existentiell, dass von sexualisierter Gewalt und Missbrauch Betroffene ihre leidvollen Erfahrungen nicht verschweigen müssen und sie mit solidarischer Unterstützung bewältigen können. Dann wird es möglich, dass das unfassbare Leid nicht an nachfolgende Generationen weitergegeben wird. Die Mutter schafft ein starkes Stück Befreiung und Bewältigung, die Kettensägen laufen und der Container für den Baumschnitt ist aufgestellt.

Der Preis des NRW-Wettbewerbes geht an eine starke und mutige filmische Dokumentation der eigenen Familiengeschichte. Verletzlich und ermächtigend ist die fünfzehn Minuten dauernde filmische Aufarbeitung, die vieles erzählt und zugleich die Unbeantwortbarkeit vieler Fragen zeigt.

 

Förderpreis des NRW-Wettbewerbs

dotiert mit 500 Euro

 

Everything About a Mutual Acquaintance

Rasam Noori

Deutschland 2023, 37'45", Farbe

 

Begründung:

Der Film zeigt eine Landschaft, schön und karg – vereist, wie die Gefühle der Protagonisten. Wir werden auf eine Fahrt mitgenommen. Intensiv und spannungsgeladen die Gespräche, die Gefühle und die Orte in der Einsamkeit. Fast atemlos, voller suspense folgen wir den Blicken und Gesprächen über etwas, über das man nicht sprechen kann oder nicht sprechen darf.

Die enorme schauspielerische Leistung der Protagonisten zeigt sich in der großen Bandbreite des Ausdrucks, genauso wie in der konzentrierten Reduktion. Zwischen ihnen entsteht etwas Zerbrechliches. Eine Beziehung, die ästhetisch wunderbar in Szene gesetzt wird. Wir erleben die Protagonisten durch eine virtuose mise en scène. Die Tiefe der Empfindungen, die Erinnerung und die Sprachlosigkeit zeigen sich in der grafischen Gestaltung der filmischen Räume. Am nächsten Morgen gelangen wir mit der filmischen Erzählung wieder an den Ausgangsort und fragen uns, ob alles nur ein Traum war. Die Väter, die nicht sprechen; die Liebe von zwei Männern. Was passiert mit den Erfahrungen des Krieges? Wie verändern sie uns? Wie werden sie an die nächste Generation weitergegeben? Und was passiert mit Liebe, die nicht gelebt wird?

 

 

Lobende Erwähnung

 

Feel What You’re Feeling

Ale Bachlechner, Elsa Artmann, Samuel Duvoisin

Deutschland 2022, 18', Farbe

 

Begründung:

Film ist Bewegung, Film ist Sound, Film ist Sprache. All das vereint der Beitrag, den die Jury mit einer lobenden Erwähnung hervorheben möchte, auf besondere und eigenwillige Weise. Im Mittelpunkt: Körper, Worte und Laute, und Wasser. Die Körper erschaffen gemeinsam neue Körper-Figuren, die sich durch einen kühlen und von einer Klarheit gezeichneten Raum bewegen, der aber zugleich verschachtelt und rätselhaft wirkt wie die Körperbewegungen. Die Laute sind ursprünglich und kommen aus der Tiefe dieser Körper, die Worte sind die Sprache einer jungen Generation, eines freien und assoziativen Denkens. Neoliberale Sätze der Durchlässigkeit und Offenheit, die eigene Trainingssprache, die in ihrer Ambivalenz humorvoll ausgestellt wird. Und das Wasser, es geht eigene Bahnen; einmal im Körper lässt es sich aber auch bändigen, kann Laute produzieren und Pulver in ein schäumendes Gemenge verwandeln. Ein Gesamtkunstwerk, das die Jury überrascht und fasziniert hat.

 

 

Preis der WDR Westart-Zuschauerjury

dotiert mit 750 Euro, gestiftet von der WDR Westart

 

Mitglieder der Jury:

Ralf Bühnen, Heiner Frost, Britta Geschonnek, Ulrike Leggewie-Brohm, Lea Luhn, Christina Menne, Andreas Polka-Radtke, Christian Rychter, Armin Sawicki, Daniela Zalewski-Lange

 

Everything About a Mutual Acquaintance

Rasam Noori

Deutschland 2023, 37'45", Farbe

 

Begründung:

Der Film erzählt von einer zufälligen Begegnung zweier Männer. Zwischen den beiden Protagonisten entwickelt sich eine besondere Beziehung, ein Schwebezustand zwischen Zugewandtheit und Misstrauen. Auf subtile Weise wird die Geschichte zur Parabel auf das Männlichkeitsbild in einer patriarchalen Gesellschaft. Die Tiefe des Films entsteht durch Angedeutetes und Unausgesprochenes, das durch die beiden Schauspieler grandios dargestellt wird. Überzeugt hat uns der Film auch durch den sensiblen Einsatz filmsprachlicher Mittel, die die stringent erzählte Geschichte perfekt unterstützen.

 

Oberhausen, 1. Mai 2023

 

Pressekontakt: Sabine Niewalda, niewalda@kurzfilmtage.de, Tel. +49 (0)208 825-3073