Sehnsucht nach Widerspruchsfreiheit

70. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, 1.-6. Mai 2024

Sehnsucht nach Widerspruchsfreiheit

Tagung zur politischen Situation von Kulturinstitutionen heute und Diskussionsreihe „Wozu Festivals?“ bei den 70. Kurzfilmtagen

documenta, Berlinale, Hamburger Bahnhof, Museum Folkwang, Neuer Berliner Kunstverein, Ruhrtriennale, UdK – die Liste lässt sich beliebig verlängern. Kulturinstitutionen und Hochschulen sehen sich immer häufiger im Dilemma zwischen dem Anspruch, sich zu politischen Debatten zu verhalten, und Vorwürfen von Zensur, Boykottaufrufen und Protesten, sobald sie dies tun. Die Kurzfilmtage nehmen dies zum Anlass für eine Tagung am 1. Mai, die nach den eigenen und den gesellschaftlichen Ansprüchen an die Kultur fragt. Zu Wort kommen Praktiker*innen und Theoretiker*innen, Autor*innen und Wissenschaftler*innen, eröffnet wird mit einer Keynote von Bazon Brock. Vom 2. bis 5. schließt eine Diskussionsreihe zur Frage „Wozu Festivals?“ an.

Auseinandersetzungen mit Sexismus, Rassismus und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit haben in den vergangenen Jahren zur Diskussion und kritischen Überprüfung von Programmatik und Haltung von Kulturinstitutionen geführt. Insbesondere die parlamentarischen Erfolge der AfD mündeten zudem im Anspruch an Kulturinstitutionen, sich zu politischen Debatten zu verhalten. Mittlerweile scheinen die entstandenen Ansprüche jedoch in eine Falle zu laufen. Immer häufiger ist von dem ursprünglich durch rechte Akteure eingeführten Begriff „Cancel Culture“ die Rede. Wo Veranstaltungen auf Grund politischer Erwägungen verschoben oder abgesagt werden, lauert der Vorwurf der Zensur. Boykottaufrufe und Proteste entstehen gegen die Zusammenarbeit mit Personen oder Institutionen ihrer Positionierung wegen. Das verursacht bei allen Beteiligten Unsicherheit. Wo zunehmend mit Mitteln der kollektiven Organisierung und Skandalisierung gearbeitet wird, um Druck auf Personen und Institutionen auszuüben, droht die Idee von Kritik in Konformismus umzuschlagen. Kommt die größte Gefahr für kritische Diskussionen über den Umgang mit politischen Themen innerhalb des Kulturbetriebs aus dem Kulturbetrieb selbst?

1. Mai 2024

Tagung

Sehnsucht nach Widerspruchsfreiheit. Kultur und Öffentlichkeit 1

13:00 Uhr

Keynote Bazon Brock

13:30 Uhr

Podium Kulturtheorie

Bazon Brock, Kunsttheoretiker

Sara Rukaj, Autorin

Lea Wohl von Haselberg, Filmwissenschaftlerin und Festivalleiterin

Moderation: Ute Cohen, Schriftstellerin und Journalistin

16:30 Uhr

Podium Kulturbetrieb

Sergio Edelzstein, Kurator

Ruth Herzberg, Autorin

Andreas Hoffmann, Geschäftsführer documenta

Ronya Othmann, Schriftstellerin und Journalistin

Moderation: Ute Cohen, Schriftstellerin und Journalistin

19:30 Uhr

Podium im Rahmen der Festivaleröffnung

Lars Henrik Gass, Festivalleiter

Alexandra Schauer, Soziologin

Rüdiger Suchsland, Filmkritiker und Filmemacher

Ort: Eisenlager, Zentrum Altenberg, Hansastraße 20, 46049 Oberhausen

2.-5. Mai 2024

Podium

Wozu Festivals? Kultur und Öffentlichkeit 2

Filmfestivals sind ein universalistisches Projekt, mit dem die Hoffnung verbunden war, gesellschaftliche Partikularisierung und politische Spaltung durch kulturelle Verständigung und künstlerischen Fortschritt zu überwinden – durch etwas, das alle angeht. Dieses Vorhaben ist erkennbar in eine Krise geraten. Mit dem Wandel der Filmkultur und des Kinofilms in den letzten beiden Jahrzehnten bedingt durch die Durchsetzung des Internets als Massenmedium und die Digitalisierung und Ökonomisierung aller Lebensbereiche, bedingt aber auch durch die Verschärfung gesellschaftlicher Verteilungskämpfe sind Filmfestivals zugleich mit zahlreichen neuen Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert. Das Kino als Schauplatz von Filmfestivals und öffentlichem Diskurs ist ins gesellschaftliche Abseits geraten. Identitätspolitik und Kulturalisierung, die Übersetzung politischer und ökonomischer Konflikte in Maßstäbe von Lebensstil und Weltanschauung auf das Feld der Kultur, sind gesellschaftliche Herausforderungen, die neuerdings insbesondere Filmfestivals in ihrem Selbstverständnis und Auftrag betreffen. Währenddessen verschlechtern sich nach der großen Pandemie und mit kriegerischen Auseinandersetzungen die ökonomischen Rahmenbedingungen von Filmfestivals rasant. Unter den sich verändernden Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, was vom ursprünglichen Selbstverständnis von Filmfestivals noch geblieben ist und ob und wie Filmfestivals ihren Auftrag noch werden erfüllen können.

2. Mai, 10-12 Uhr

Sind Festivals noch ein universalistisches Projekt?

Harald Kimpel, Kunstwissenschaftler

Andreas Kilb, Filmkritiker (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Ariel Schweitzer, Filmkritiker (Cahiers du cinéma)

Lea Wohl von Haselberg, Filmwissenschaftlerin und Festivalleiterin

Moderation: Dunja Bialas, Filmkritikerin und Filmkuratorin

3. Mai, 10-12 Uhr

Was legitimiert Festivals?

Martina Genetti, Filmkuratorin

Daniel Hadenius-Ebner, Vienna Shorts

Keiko Okamura, Filmkuratorin

Heinz Peter Schwerfel, Kunstkritiker und Festivalleiter

Moderation: Dunja Bialas, Filmkritikerin und Filmkuratorin

4. Mai, 9.30-11.30 Uhr

International Style

Moritz Baßler, Literaturwissenschaftler

Susanne Heinrich, Autorin und Filmemacherin

Marco Müller, Filmkurator und Festivalleiter

Moderation: Ulrike Sprenger, Literaturwissenschaftlerin

5. Mai, 10-12 Uhr

Politisierung der Kultur

Lars Henrik Gass, Autor und Festivalleiter

Alexander Karschnia, Theatermacher, Texter und Theoretiker

Benjamin Moldenhauer, Filmkritiker

Shahrzad Eden Osterer, Journalistin (Bayerischer Rundfunk)

Moderation: Dunja Bialas, Filmkritikerin und Filmkuratorin

Ort: Festival Space, Elsässer Str. 21, 46045 Oberhausen

Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist kostenfrei, mit Ausnahme der Eröffnung der Kurzfilmtage am 1. Mai 2024.

Akkreditierungsschluss Kurzfilmtage: 25. April 2024

https://www.kurzfilmtage.de/de/besuch/#c3193

Oberhausen, 27. März 2024

Pressekontakt: Sabine Niewalda, T +49 (0)208 825-3037, niewalda(at)kurzfilmtage.de